Was ist die Präsidentenanklage?
Die Präsidentenanklage (Bundespräsidentenanklage, nicht: Präsidentenklage) ist die einzige Möglichkeit der Absetzung (außerordentliche Beendigung) des Bundespräsidenten. Bundestag oder Bundesrat können den Bundespräsidenten wegen vorsätzlicher Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes vor dem Bundesverfassungsgericht anklagen (Art. 61 I GG). Das Bundesverfassungsgericht kann die Schuld des Bundespräsidenten feststellen und ihn seines Amtes für verlustig erkären.
Nicht zu verwechseln ist die Präsidentenanklage mit dem Organstreitverfahren (Art. 93 I Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG).
Wo ist die Präsidentenanklage geregelt?
Die Artikel 54 bis 61 GG behandeln das Amt des Bundespräsidenten, Art. 61 GG die so genannte Präsidentenanklage.
Art. 61 GG
(1) Der Bundestag oder der Bundesrat können den Bundespräsidenten wegen vorsätzlicher Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes vor dem Bundesverfassungsgericht anklagen. Der Antrag auf Erhebung der Anklage muß von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Bundestages oder einem Viertel der Stimmen des Bundesrates gestellt werden. Der Beschluß auf Erhebung der Anklage bedarf der Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages oder von zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates. Die Anklage wird von einem Beauftragten der anklagenden Körperschaft vertreten.
(2) Stellt das Bundesverfassungsgericht fest, daß der Bundespräsident einer vorsätzlichen Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes schuldig ist, so kann es ihn des Amtes für verlustig erklären. Durch einstweilige Anordnung kann es nach der Erhebung der Anklage bestimmen, daß er an der Ausübung seines Amtes verhindert ist.
Das Verfahren ist in den §§ 13 Nr. 4, 49 – 57 BVerfGG geregelt.
Tatbestand des Art. 61 I GG
Das „Delikt“ ist umfassend beschrieben. Angeklagt kann der Bundespräsident „wegen vorsätzlicher Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes vor dem Bundesverfassungsgericht“ werden (Art. 61 I 1 GG). „Die Vorschrift erfordert eine vorsätzliche Rechtsverletzung durch den Bundespräsidenten, die er in amtlicher Funktion begangen hat. Fahrlässige Verletzungen werden nach der hL ausgeschlossen; es reichen bedingter und direkter Vorsatz, Absicht ist nicht erforderlich.“1
Es kann grundsätzlich nur der Bundespräsident (strittig ob auch sein Stellvertreter2) bei Vorsatz angeklagt werden.
Verfahren und Entscheidung
Die Anklage darf lediglich vom Deutschen Bundestag oder vom Bundesrat ausgehen. „Beide Organe können völlig unabhängig voneinander Anklage erheben, auch nebeneinander in der gleichen Sache. Die Anklage kommt aber zustande, wenn auch nur in einem von ihnen die in Art. 61 I Satz 2-4 geforderten Voraussetzungen erfüllt werden.“3
Das Bundesverfassungsgericht stellt im Urteil fest, ob der Bundespräsident einer vorsätzlichen Verletzung des Grundgesetzes oder eines genau zu bezeichnenden Bundesgesetzes schuldig ist (§ 56 II BVerfGG). Im Falle der Verurteilung kann das Bundesverfassungsgericht den Bundespräsidenten seines Amtes für verlustig erklären. Hierfür bedarf es der Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Senats (§ 15 IV 1 BVergGG). Mit der Verkündung des Urteils tritt der Amtsverlust ein (§ 56 II BVerfGG).
Gab es je eine Präsidentenanklage?
Zu einer Präsidentenanklage kam es bisher noch nicht.
Stay blogged. 😎
Euer Matthias
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1 Pieper in Epping/Hillgruber, BeckOK GG Art. 61, Rn 4
2 vgl. Herzog in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 61 Rn. 14
3 Ebenda, RN 34