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Perlwein aus dem Paradies

Darf Perlwein „Secco“ heißen und ist „Paradies“ eine geographische Angabe, die die Bezeichnung eines Perlweines mit zugesetzter Kohlensäure1 grundsätzlich nicht führen darf?

Entscheidung der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Trier mit Urteil vom 20. Januar 2010 “ 5 K 650/09.TR

Erläuterungen in den Fußnoten.

Worum geht es in dem Rechtsstreit? (skizziert)
Ein Winzerverein (Klägerin), vertreibt zwei Perlweine mit zugesetzter Kohlensäure unter der Bezeichnung ParadieSECCO, und zwar einen weißen Perlwein – als Eva bezeichnet – und einen Adam genannten Rosé-Perlwein2. Auf den Etiketten des Produkts „Eva“ befindet sich ein skizzierter weiblicher Oberkörper, bei dem Produkt Adam ein männlicher Oberkörper.

Das Land Rheinland-Pfalz, dessen Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, die übrigens im Kurfürstlichen Palais Trier beheimatet ist, hat zunächst (vorgerichtlich) die Auffassung vertreten, dass das In-Verkehr-Bringen des von der Klägerin hergestellten Perlweins unter der Bezeichnung „Paradiesecco“ gemäß § 27 Abs. 1 Weingesetz deshalb unzulässig sei, weil „Perlwein mit zugesetzter Kohlensäure“ nach Art. 38 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 753/20023 keine geographischen Angaben tragen dürfe. Vorlegend liege in der Bezeichnung „Paradiesecco“ eine geographische Bezeichnung.

Der Winzerverein beantragt festzustellen4, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, gegenüber der Klägerin das In-Verkehr-Bringen des von ihr hergestellten Perlweins mit zugesetzter Kohlensäure unter der Bezeichnung „Paradiesecco“ zu untersagen.
Probleme im Paradies?
„Das Wort Paradies, das aus dem Griechischen stammt, steht für einen Garten und wird schon im Alten Testament als Bezeichnung für den Garten Eden, den Garten Gottes, verwandt“, wie das Gericht richtig feststellt. Ob das biblische Paradies als Weinanbaugebiet zu sehen ist, lässt das VG Trier dahin stehen.

Im selben Ort des Winzervereins gibt es die Weinlage Deidesheimer Paradiesgarten, deren „Wahrzeichen“ eine Eva Statue ist. Ist hier Paradies eine unzulässige Angabe?

„Außerhalb des religiösen Gebrauchs steht das Wort Paradies allgemein für einen Ort, an dem man sich wohlfühlen und das Leben genießen kann. Von daher stellt der Begriff Paradies keinen konkreten, einem bestimmten Ort zuzuordnenden geographischen Begriff dar. […] Von daher ist die Kammer der Überzeugung, dass die Verwendung des Wortes „Paradies“ in der Bezeichnung des von der Klägerin hergestellten Perlweins keine geographische Angabe darstellt. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Klägerin ein in D. ansässiger Winzerverein ist und in D. eine Weinlage „Paradiesgarten“ existiert. Für das Verständnis des Begriffs „Paradiesecco“ ist nämlich […] auf den wahrscheinlichen Erwartungshorizont des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers abzustellen. […] Bei einem derartigen Verbraucher steht indessen nicht zu erwarten, dass er den von der Klägerin vermarkteten Perlwein aufgrund seiner Bezeichnung als „Paradiesecco“ mit der Weinlage „… Paradiesgarten“ in Verbindung bringt.

Von daher liegt in der Verwendung der Bezeichnung „Paradiesecco“ keine unzulässige, gegen nationale und europarechtliche Bestimmungen verstoßende Anlehnung an eine Ursprungs- oder geographische Bezeichnung, so dass der Klage der Erfolg nicht versagt bleiben kann.“

Secco als allgemeine Bezeichnung für Perlwein?
Bezeichnet „Secco“ eine bestimmte Rebsorte?
„Zwar ist das Wort „Secco“ aus dem italienischen Wort „Prosecco“ entnommen, das den Namen einer alten Rebsorte aus V./Italien bezeichnet und mit dem italienischen Adjektiv secco (trocken) nichts zu tun hat. In Deutschland hat sich indessen das Wort „Secco“ in den letzten Jahrzehnten zu einer allgemeinen Bezeichnung für Perlwein entwickelt (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Perlwein), so dass in der Verwendung des Begriffs „Secco“ keine Irreführung der Verbraucher dahingehend gesehen werden kann, dass das vorliegend betroffene Erzeugnis aus der in Italien angebauten Rebsorte „Prosecco“ hergestellt worden sei.“ Stellt das Gericht fest.

Paradiesecco durfte also so in den Verkehr gebracht und mittlerweile vom aufmerksamen und verständigen Verbraucher gesoffen werden.

Exkurs zur Schaumweinsteuer
In der Fußnote 2 haben wir gesehen, dass Perlwein einen maximalen Überdruck von 2,5 bar aufweisen darf. Die Grenze zum Schaumwein ist schnell erreicht. Für Perlwein fällt grundsätzlich keine Schaumweinsteuer an. § 1 II Schaumwein- und Zwischenerzeugnissteuergesetz definiert Schaumwein so:
„Schaumwein im Sinn dieses Gesetzes sind alle Getränke, die in Flaschen mit Schaumweinstopfen, der durch eine besondere Haltevorrichtung befestigt ist, enthalten sind oder die bei + 20 Grad Celsius einen auf gelöstes Kohlendioxid zurückzuführenden Überdruck von 3 bar oder mehr aufweisen und die zu den nachfolgenden Positionen oder Unterpositionen der Kombinierten Nomenklatur gehören…“

Der Steuertarif beträgt gem. § 2 SchaumwZwStG für Schaumweine mit einem Alkoholgehalt ab 6 % vol. 136 €/hl und mit einem Alkoholgehalt unter 6 % vol. 51 €/hl. D.h. also 1,02 € bzw. 0,38 € pro 0,75l.

Weiterführende Links:
Pressemitteilung des VG Trier v. 26.01.2010
SPON Artikel zu Perlwein/Schaumweinsteuer aus 2008

Stay blogged. 😎

Euer Matthias

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1 Perlwein ist von Perlwein mit zugesetzter Kohlensäure zu unterscheiden. Die Begriffsbestimmung „Perlwein mit zugesetzter Kohlensäure“ befindet sich im Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1493/1999: „Das Erzeugnis, das
– aus Tafelwein, aus Qualitätswein b. A. oder aus zur Gewinnung von Tafelwein oder von Qualitätswein b. A. geeigneten Erzeugnissen hergestellt wird,
– einen vorhandenen Alkoholgehalt von mindestens 7% vol. und einen Gesamtalkoholgehalt von mindestens 9% vol. aufweist,
– in geschlossenen Behältnissen bei 20 °C einen auf gelöstes Kohlendioxid, das ganz oder teilweise zugesetzt wurde, zurückzuführenden Überdruck von mindestens 1 und höchstens 2,5 bar aufweist,
– in Behältnissen mit einem Inhalt von höchstens 60 l abgefüllt ist.“

2 Gemäß § 32 IV Weinverordnung dürfen Perlwein und Perlwein mit zugesetzter Kohlensäure nicht „Rotwein“ genannt werden, sondern müssen zwingend „Rosé“ bezeichnet werden.

3 Der Wortlauf des Art. 38 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 753/2002 ist zunächst anders (!) aber beachte, dass demgemäß „die Angabe der geographischen Einheit die Art. 51 Verordnung (EG) Nr. 1493/1999 und 28 Verordnung (EG) Nr. 753/2002 sinngemäß auch für Perlwein mit geographischer Angabe gelten. Danach setzt die Angabe einer kleineren geographischen Einheit als des Mitgliedstaats eine einzelstaatliche Regelung für die Verwendung dieser Angaben voraus. Da in Deutschland eine solche Regelung fehlt, kann in Deutschland aus im Inland geernteten Trauben hergestellter Perlwein nicht mit einer geographischen Angabe bezeichnet werden.“ Rathke in Zipfel/Rathke Lebensmittelrecht, Weingesetz vor § 22. Kennzeichnung, RN 356.

4 Feststellungsklage, § 43 VwGO.

Der Text erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit. Die Einträge dienen lediglich der Information, hier findet keine Rechtsberatung statt. Grundsätzlich muss bei rechtlichen Themen stets das Veröffentlichungsdatum hinsichtlich der Aktualität beachtet werden!

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