Ein junger Mann, ein Goldfisch – und eine ganze Welt der Gefühle: Mit „Solo mit Goldfisch“ bringt das Zimmertheater Tübingen ein Stück auf die Bühne, das die Einsamkeit der Generation Mitte Zwanzig eindrucksvoll und berührend ins Zentrum rückt. Cyril Hilfiker als Felix gelingt dabei ein Soloabend, der nicht nur unterhält, sondern tief bewegt. So sehr, dass man sich gerne mit einem Glas Wein zu ihm gesellen möchte.
Minimalismus mit maximaler Wirkung
Die Bühne – halb Wohnzimmer, halb Theaterraum – spiegelt die Ambivalenz von Felix’ Lebensgefühl wider. Zwischen Notizzetteln, Boxsack und dem liebevoll gestalteten Aquarium von Goldfisch Niklas entfaltet sich ein Raum, der sowohl Schutz als auch Bühne für die inneren Kämpfe des Protagonisten ist. Es wirkt nicht unvertraut.
Ein Schauspieler, der trägt
Cyril Hilfiker füllt die Bühne mit einer Präsenz, die den Abend trägt. Und das über 100 Minuten ohne Pause. Seine Darstellung des Felix ist so vielschichtig wie nahbar: Mal kämpft er gegen den Sandsack, mal verliert er sich in Gedanken, spricht mit dem Publikum, beobachtet Goldfisch Niklas – und damit letztlich sich selbst. Hilfiker gelingt es, die Gratwanderung zwischen humorvollen Momenten und tiefer Melancholie glaubhaft zu meistern. Die Inszenierung nutzt die Möglichkeiten des Monologs voll aus: Wir, das Publikum, werden Teil von Felix’ innerem Dialog, erleben seine Zweifel, seine Sehnsucht nach der „goldenen Mitte“ und die Hoffnung, nicht am Rand zu verharren. Er schien stolz, in der Goldenen Mitte zu sein. Dort wollte ich nie sein. Bin ich es aber doch?
Einsamkeit als Generationserfahrung
Besonders beeindruckend ist, wie das Stück das Thema Einsamkeit aus einer jungen Perspektive beleuchtet. Meint man doch, dass dieses Thema eher keines der Mittzwanziger sei. Felix’ Schwierigkeiten, in einer neuen Stadt Fuß zu fassen, Freundschaften zu halten und sich in einer Welt voller Möglichkeiten zu orientieren, sind hochaktuell und werden ohne Pathos, aber mit viel Empathie erzählt. Der Goldfisch Niklas wird dabei zum stummen Spiegel, zum Gesprächspartner und Sinnbild für die Sehnsucht nach Verbindung. Wer hat sich nicht schon mit seinem Haustier unterhalten?
O-Ton
Das Stück endet mit Antworten von jungen Menschen, auf der Straße aufgenommen, auf Fragen zur Einsamkeit. Dies macht das Thema noch nahbarer.
Unbedingt anschauen – und vielleicht mit einem neuen Blick auf die eigene „goldene Mitte“ nach Hause gehen.
Felix ist nicht alleine, fühlt sich aber so. Er wird gesehen, empfindet jedoch nicht gesehen zu werden. Seine Angst, Freundschaften zu verlieren, wird wiederholt zur selbst erfüllenden Prophezeiung.

Goldfisch Niklas, scheinbar stummer Begleiter, wird zum Spiegelbild von Felix’ innerem Zustand. Die Regie nutzt dieses stille Gegenüber klug, um die Monologstruktur aufzulockern und gleichzeitig die Isolation der Figur zu unterstreichen. Der Goldfisch ist kein Gimmick, sondern ein poetisches Symbol für das Kreisen um sich selbst – und für die Sehnsucht nach Verbindung.
„Solo mit Goldfisch“ ist kein lautes Spektakel, sondern eine intime und berührende Theatererfahrung. Es ist ein Stück, das uns daran erinnert, dass auch in der Stille und im scheinbar Unscheinbaren tiefe Wahrheiten verborgen liegen können.
Alleinsein ist nicht Einsamsein.
Stay blogged. 😎
Dein Matthias Düsi