Mannheim und das ehemalige Dorf Neu-Rineck, das von der Odenwaldhölle nach Amerika auszog.
Als mir ein lieber Kollege von diesem Dorf Rineck im Odenwald erzählte, dessen Bewohner als „Wilde“ und „Räuber“ verrufen waren und die letztendlich von der Badischen Regierung nach Amerika ausgesiedelt wurden, war mein Interesse an der Geschichte dieses Dorfes sofort geweckt. Ich mag solche obskuren Geschichten. So eine staatliche Aussiedelung ist heute schwer vorstellbar. Oder doch…?
Geschichte des ehemaligen Dorfes Neu-Rineck
- 1788 besiedelte die kurpfälzische Regierung in Mannheim einen öden und unfruchtbaren Landstrich im Odenwald: Neu-Rineck.
- Neu-Rineck kam 1803 zum Fürstentum Leiningen und 1806 an das Land Baden.
- U. a. durch die unfruchtbaren Böden und dadurch, dass die Neu-Rinecker sich nicht des Waldes bedienen durften, verarmte das Dorf.
- 1849 – 1950 wurde das Dorf endlich aufgelöst und die meisten Rinecker (auch auf eigenem Wunsch) größtenteils nach Nordamerika umgesiedelt. Umgesiedelt auf Kosten des Großherzogtum Badens! 🙂
- Der erste Transport mit 168 größtenteils ledigen Auswanderern verließ Rineck am 3. Oktober 1849. Die Auswanderung erfolgte zunächst mit Fuhrwerken bis Eberbach, dann mit Schiffen über Mannheim nach Bremen oder Antwerpen und von dort aus nach New York, wo jeder Familienvorstand 20 Gulden und jede weitere Person 10 Gulden erhielt.
Die Gründung Neu-Rinecks begann in Mannheim und auch nach der Auflösung des Dorfes im Dezember 1850 sollten die Mannheimer Einfluss auf Rineck ausüben. 1856 kaufte Katharina Scipio, geborene Wannemann, (Mutter von Ferdinand Scipio) die Gemarkung, die später durch Erbgang an die Freiherren von Gemmingen-Hornberg fiel und die das Hofgut bis heute (!) betreiben.
Den Scipios gelang es, das Land endlich rentabel zu bewirtschaften. 1880 wurde beispielsweise bereits eine Lokomobile, eine Dampfmaschine zum Dreschen, eingesetzt. Kurz nach der Vorstellung des UR-Bulldogs der Heinrich Lanz AG (aus Mannheim, klar, oder?) wurde ein Lanz Traktor 1925 auf Rineck eingesetzt.
Heute ist das Hofgut Rineck vegetarisches Gesundheitszentrum, Seminarhaus und Landwirtschaftsbetrieb.
Weiterführendes zur Geschichte Rinecks
Sehr genau und akribisch belegt beschreibt Karl Wilhelm Beichert die Geschichte in seinem Buch „Muckental und Rineck. Schicksale zweier Dörfer im Odenwald“ von 1995, das ich Euch zu lesen empfehle. Weniger genau könnt Ihr es auf wikipedia.org/wiki/Rineck nachlesen. Der Aufsatz „Die „Fortschaffung“ der Katharina R. nach Amerika“ von R. Vetter beleuchtet die staatlich subventionierte „Abschiebung“ im Großherzogtum Baden näher.
Stay blogged. 😎
Euer Matthias