Liebe Leserinnen,
liebe Leser,
herzlich lade ich Euch zum Weihnachtsbrief Nummer sieben ein. Erneut finden wir uns am 24. Dezember zusammen und lassen unsere Gedanken um das Weihnachtsfest kreisen.
I. Gilt es Weihnachten zu wahren?
Wiederkehrend waren in den letzten Wochen dieselben Aussagen der verkniffenen Gesichter zu hören: „alles zu hektisch“, „zu schnell gekommen“, „keine Weihnachtsstimmung“, „immer so viele Geschenke“ et cetera pp. Dies und die Abwehrhaltung derjenigen, die Weihnachten nicht begehen mögen, weil es ihnen „zu religiös“ sei, lässt die Frage aufkommen, welchen Stellenwert Weihnachten beizumessen ist und ob Weihnachten noch eine Bedeutung in Deutschland hat. Einem Land, das sich, im Gegenteil zu seinen Nachbarn, sowohl nationale als auch religiöse Identität stets meint nicht bewusst sein zu dürfen. Verliert Weihnachten, abgesehen von Weihnachtsbraten und Glühweinrausch, an Bedeutung?
1. Ein rechtlicher Umriss
Werfen wir in diesem Jahr einen Blick in einige Gesetze.
Das Hessische Feiertagsgesetz1 schützt im § 7 nicht nur Weihnachten als gesetzlichen Feiertag, sondern an einem solchen Gottesdienste an sich vor störenden Veranstaltungen.
Das Bayerisches Strafvollzugsgesetz2 gewährt in seinem Art. 25 den Insassen an Weihnachten einen Sondereinkauf aus einem durch die Anstalt vermittelten Angebot von Nahrungs- und Genussmitteln.
§ 134 II Insolvenzordnung3 nimmt Gelegenheitsgeschenke von der Insolvenzanfechtung aus. Weihnachtsgeschenke zählen zu den anerkannte Gelegenheitsgeschenken4.
Nicht zu berücksichtigendes Einkommen iSd § 11 SGB II sind nach allgemeiner Auffassung „alle (normalen) Gaben zu […] Weihnachten aus der Verwandtschaft und von Freunden“5.
Ebenso sind Weihnachtsgeschenke gemäß § 15 Erbschaftssteuergesetz steuerbefreit.6
Der wichtigste, d. h. der grundrechtliche, Schutz für das Begehen des Weihnachtsfestes soll im Art. 4 GG abschließend aufgezeigt werden. Absatz 1 schützt die Freiheit des Glaubens und der religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisse und Absatz 2 die ungestörte Religionsausübung, individuell und korporativ.
Anhand dieser kurzen und gewillkürten Auswahl sehen wir, dass das Weihnachtsfest umfassenden, wenn auch nicht uneingeschränkten, Schutz genießt. Einerseits sind die Normierungen und gängigen Auslegungen ein Gerechtwerden tatsächlicher Gegebenheiten, andererseits wird hierdurch Freiheit gewährt. Was heißt das für den Einzelnen?
a) für Gläubige
Die Glaubensfreiheit ist eine religiöse bzw. weltanschauliche Gedankenfreiheit, die das forum internum nicht verlässt. Geschützt sind insofern etwa die Überzeugungen des Einzelnen, zum Beispiel die Sinnhaftigkeit, Weihnachten zu feiern, betreffend. Das Aufstellen eines Weihnachtsbaumes findet seinen Schutz in der Religionsausübungsfreiheit.7 Ebendies gilt für Weihnachtsgeschenke, deren leistungsrechtliche Komponente wir oben gesehen haben. Jeder, der will, darf also Weihnachten feiern und wird in diesem Recht geschützt.
b) für Ungläubige
Auch jenen, die dem Glauben keinen Platz in ihrem Leben gewähren möchten, bietet das gemeinhin als besinnlich und geruhsam bezeichnete Weihnachtsfest in einer Zeit, in der von Entschleunigung gesprochen werden muss, die Gelegenheit, das Tempo zu verringern und sich Zeit für sich selbst und seine Lieben zu geben. Um schutzrechtliche Ansprüche aus dem Weihnachtsfest geltend zu machen, bedarf es allerdings religiöser Motivation.
2. Betrachtung des Tatsächlichen
Wie gezeigt, darf rechtlich geschützt und allgemein gesellschaftlich anerkannt Weihnachten gefeiert werden. Falsche Prämissen, Erwartungen und scheinbare Gegebenheiten können dazu verleiten, sich Weihnachten zu verwahren.
Vor einigen Jahren antwortete ein damals geistesgegenwärtiger Freund auf mein Klagen, dass ich mich an den Weihnachtstagen unwohl fühlte, nicht solch „großen Scheine“ in den Opferkasten meiner, in einer wohlbetuchten Wohngegend gelegenen, Kirche gelegt haben zu können, dass es nicht auf den objektiven Nennwert der Geldspende ankomme. Ein Gedanke, der ebenso richtig wie selbstverständlich ist und mir selbst hätte kommen müssen. Es kommt nicht auf das „so viel wie“, „so gut wie“, „so weihnachtlich gestimmt wie“ an. Wenn es heißt, dass Jesus in ärmlichsten Verhältnissen zur Welt kam, ist ein Wetteifern nicht im Sinne dieses Festes. Es kommt nicht darauf an, den imaginären Wettkampf im vorweihnachtlichen Gefühlshindernislauf zu gewinnen. Auch soll niemand verzagen, wenn er meint, sich nicht in eine angemessene Weihnachtsstimmung befördert zu haben. Weihnachten bietet einem jeden die Gelegenheit, sich zu besinnen und sich Zeit zu nehmen. Auch deshalb ist Weihnachten so wichtig.
II. Appell zur Wahrung Weihnachtens
Ob religiös angetrieben oder nicht, Weihnachten ist ein religiöser und kultureller Schatz, welchen in seiner Bedeutung herunterzuspielen nicht gerecht ist, der nicht durch fehlinterpretierte äußere Gegebenheiten und nicht existente Zwänge verkannt werden darf und den es zu bewahren lohnt.
Der Schlusssatz meiner diesjährigen Jahresabschlussrede vor den Nichtunterschätzern des subjektiven Faktors im objektiven Verlauf lautete: „… nachfolgende Generationen sollen dankbar sein können, dass wir vor ihnen da waren.“ Dies ist in tatsächlicher, kultureller und ideeller Hinsicht zu verstehen.
Frohe Weihnachten Euch allen!
Stay blogged. 😎
Euer Matthias
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1 in der Fassung vom 29. Dezember 1971
2 Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe, der Jugendstrafe und der Sicherungsverwahrung vom 10. Dezember 2007
3 vom 23.10.2008
4 Kirchhof in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Auflage 2008, InsO § 134
5 Fahlbusch in BeckOK SGB II § 11, Edition: 10
6 Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, 35. Auflage Oktober 2007
7 Zacharias: Das Weihnachtsfest im deutschen öffentlichen Recht, NVwZ 2006, 1329